about:web #5 – Wie sieht ein gesundes Internet aus?
about:web – der brandneue Podcast von Mozilla und ze.tt
Episode 5 – Wie sieht ein gesundes Internet aus?
Protagonisten:
Prof. Dr. Alexander Filipović –- Medienethiker Prof. Dr. Marcus Kleiner -- Medien- und Kulturwissenschaftler Stephan Porombka -- Kulturwissenschaftler Katharina Nocun -- Netzaktivistin und Autorin Bjoern Krass -- Lehrbeauftragter für Journalismus und Rhetorik an der SRH Hochschule für Populäre Künste in Berlin
Skript:
Mae Becker: Wir schreiben das Jahr 2024. Es ist ein grauer, kalter Montagmorgen. Aber immerhin holt dein Wecker dich mit den langsam ansteigenden Klängen deines Lieblings-Songs sanft aus dem Schlaf. Gestellt hast du den Wecker nicht – wozu auch? Er weiß von allein, wann du aufstehen willst. Während du dich nun langsam aus dem Bett schälst, dreht dein smartes Thermostat schon mal die Heizung im Badezimmer auf. Gleichzeitig hörst du aus der Küche ein vertrautes Rauschen – die Kaffeemaschine ist angesprungen.
Auf dem Weg ins Bad fällt dein Blick auf das kleine Whiteboard im Flur. Neben, „20 Uhr: Kino mit Mark“ steht da auch, „Kaffee kaufen!!!“. Drei Ausrufezeichen. Klar, ohne Kaffee geht es nicht. Deine Kaffeemaschine wusste schon viel früher als du, dass der Kaffee zur Neige geht, und sie hätte auch ganz selbstständig neuen ordern können – aber das ginge dir dann doch ein Stück zu weit. Deshalb willst du auch keine privaten Verabredungen in deinem Online-Kalender haben – das Whiteboard im Flur tut's auch. In Gedanken planst du für den Heimweg von der Arbeit schon mal einen Zwischenstopp beim Kaffeeröster deines Vertrauens ein.
Klingt ziemlich cool,oder? Aber ist das eine mögliche Zukunft? Oder eine Utopie?
Hey, ich bin Mae von ze.tt. Diesen Podcast, präsentiert euch Mozilla, das Non-Profit-Unternehmen hinter dem Browser Firefox. Im Gegensatz zu vielen anderen Tech-Unternehmen setzt Mozilla sich an erster Stelle für uns als Nutzer ein. Sie glauben, dass das Internet ein weltweites Netzwerk sein sollte, das uns allen gleichermaßen offen steht und uns miteinander verbindet – auf Augenhöhe.
In dieser Folge von about:web wollen wir nun ein Fazit ziehen. Wir wollen die Frage beantworten: Ist das Internet das geworden, was wir uns ursprünglich einmal gewünscht und vorgestellt hatten? Und wenn nicht – wie kommen wir da hin?
[Intro-Jingle]
Mae Becker: In den letzten Folgen haben wir herausgefunden, wie das Internet schon heute unser tägliches Leben beeinflusst und verändert. Vorbereitet waren wir darauf nicht. Schritt zu halten mit der Entwicklung der digitalen Technologie wird immer mehr zur Herausforderung. Gleichzeitig wird es immer wichtiger, es zu versuchen – denn im Gegensatz zu uns lernen Maschinen unglaublich schnell. Da sind sich die Experten einig.
Bjoern Krass: Wir müssen uns komplett von dem verabschieden, wie wir Beziehung früher noch definiert haben, als gegenseitige Wertschätzung – beispielsweise die Wertschätzung von Charaktereigenschaften oder von Werten, die wir selbst vertreten. Sondern es geht darum, wahrgenommen zu werden.
Stephan Porombka: Eigentlich haben wir es wieder mit einem Medienwechsel zu tun. So wie wir vor 200 Jahren [6'50“ - Versprecher entfernen] die Verbreitung des Buches und des Erzählens hatten und des Liebesbriefes hatten, so haben wir es jetzt mit Medien zu tun, in denen wir auch eine neue Form von Intimität erfinden können.
Katharina Nocun: Ja, wenn ich mir anschauen, wo die besonders sensiblen Datensammlungen anfallen, wie sie entstehen, dann stell ich fest, das sind vor allem Abfallprodukte anderer Handlungen. Ich gehe ja nicht zu Google, um eine Akte meiner intimsten Sehnsüchte oder auch Krankheitssorgen erstellen zu lassen. Oder gar meiner Beziehungsprobleme oder Sex-Vorlieben. Aber genau das passiert, wenn ich alles, was mir durch den Kopf geht, in die Google-Suche eingebe.
Marcus Kleiner: Und das ist die große Gefahr: Was passiert mit diesen ganzen Metadaten, mit dem ganzen Big Data? Da liegen die Gefahren, und damit muss sich eine Gesellschaft konfrontieren – und nicht nur Experten.
Alexander Filipovic: Ich glaube, dass die Zukunft in Zusammenhang mit diesen sehr machtvollen Techniken große Gestaltungsaufgaben stellt. Und die müssen wir angehen. Wenn wir das verpennen und diese Sachen nicht gestalten… dann könnte es wirklich schwierig werden. Dann werden vielleicht Dinge passieren, die wir schwer gestalten oder nicht mehr einholen können.
Mae Becker: Das Internet mit all seinen Möglichkeiten ist dazu da, unser Leben leichter, spannender und schöner zu gestalten – oft sogar kostenlos. Aber läuft das wirklich so? Am Ende zahlen wir meistens doch: Mit unserer Aufmerksamkeit, mit unserer Zeit oder mit unseren privaten Daten. Verwunderlich ist das nicht, denn viele Ecken des Netzes werden heute von Großkonzernen bestimmt. Und die funktionieren online nun mal genauso wie sie es offline tun.
In einer freien Marktwirtschaft verfolgt ein Unternehmen üblicherweise immer zwei Ziele: Gewinn und Wachstum. An diesen Maßstäben bemessen Eigentümer, Investoren und Aktionäre den Erfolg einer Firma. Und der Erfolg kann niemals groß genug sein. Das ist bei Facebook nicht anders als bei Google, bei Amazon,bei Tinder und so ziemlich jedem anderen Unternehmen. Und seien wir mal ehrlich: Nur die allerwenigsten von uns schaffen es, ganz ohne diese üblichen Verdächtigen auszukommen.
Als Firmenleitung stehst du vor der Aufgabe, Gewinn und Wachstum stets zu maximieren. Dazu musst du immer auch im Auge behalten, was der Markt verlangt. Der wird von vielen verschiedenen Interessen beeinflusst – und wenn die Interessen der Geldgeber sich nicht mit denen der Nutzer decken, ziehen die Nutzer oft genug den Kürzeren.
Geld zu verdienen ist natürlich nicht per se etwas Schlechtes. Erfolg ist nichts, wofür man sich schämen müsste. Wenn aber alle Entscheidungen auf Gewinnmaximierung hin ausgerichtet werden, dient ein Unternehmen nur noch dem Markt – und nicht mehr dem Nutzer.
Aber das muss nicht sein. Es gibt auch andere Konzepte. Die Suchmaschine Ecosia nutzt ihre Werbeeinnahmen zum Beispiel, um auf der ganzen Welt Bäume zu pflanzen. Die Suchmaschine DuckDuckGo verzichtet darauf, ihre Nutzer zu tracken und Suchen zu speichern. Darum hat Mozilla DuckDuckGo Ende 2014 auch als Suchoption zum Firefox-Browser hinzugefügt
Mit einem Non-Profit-Unternehmen im Rücken kann Mozilla es sich erlauben, neue Wege zu gehen. Gewinn und Wachstum sind nicht der wichtigste Maßstab, an dem der Erfolg des Unternehmens bemessen wird. Mozilla arbeitet nicht für Eigentümer, Investoren oder Aktionäre, sondern für die Nutzer. Also: Für uns.
Das ist auch dringend notwendig, denn wo große Mengen an Daten erhoben werden, da haben wir es auch immer mit großen Risiken zu tun. Wohin die Daten-Sammelwut von Unternehmen führen kann, weiß Alessandro Acquisti. Er ist IT-Professor am Heinz College der Carnegie Mello University und Co-Leiter des CMU Center for Behavioral Research. In seinem TED Talk, „What will a future without secrets look like?“ erklärt er, wie Werbung auf Grundlage unserer Daten immer genauer, allgegenwärtiger und auch überzeugender werden kann. Acquistis anschaulichstes Beispiel haben wir mal für euch übersetzt:
Zitat Alessandro Acquisti: In einer berühmten Szene des Films „Minority Report“ läuft Tom Cruise in eine Mall, und um ihn herum erscheinen personalisierte, holographische Werbebotschaften. Der Film spielt im Jahr 2045. Und so spannend diese Technologie auch aussieht, so sehr unterschätzt sie doch die Menge an Daten, die Firmen schon heute über uns sammeln können. Und sie können diese Informationen nutzen, um uns zu beeinflussen, ohne, dass wir es überhaupt bemerken.
Ein Beispiel: Stell' dir vor, eine Firma hat Zugriff auf die Liste deiner Facebook-Freunde. Mithilfe eines Algorithmus kann sie jetzt feststellen, welche zwei Freunde du am meisten magst. Nun erstellt ein Programm in Echtzeit ein Foto, auf dem die Gesichter dieser Freunde zu einem verschmelzen. Studien belegen, dass Menschen auf solchen Fotos nicht einmal sich selbst wieder erkennen – aber sie reagieren positiv auf das Bild. Wenn du nun das nächste Mal eine Werbe-Einblendung auf dem Handy siehst, ist auf dem Bild nicht mehr ein gewöhnliches Model zu sehen, sondern dein Freund – und du bemerkst noch nicht mal, dass das passiert.
Mae Becker: Mozillas Internet Health Report für das Jahr 2018 geht von knapp 3,6 Milliarden Internet-Nutzern weltweit aus. Der Großteil hat wenigstens ein Konto bei den führenden Social-Media-Diensten. Der unangefochtene Spitzenreiter ist und bleibt Facebook: Ende 2017 verzeichnete die Plattform 2,16 Milliarden aktive Nutzer pro Monat.
Auch die Foto-Plattform Instagram, die 2012 von Facebook übernommen wurde, zählte 2018 rund eine Milliarde Nutzer. Seit 2014 gehört auch der Nachrichtendienst WhatsApp zu Facebook – und wächst seitdem fröhlich weiter. Die weltweite Nutzerschaft wird inzwischen auf 1,2 Milliarden geschätzt.
Natürlich ist es bequem, über Facebook, WhatsApp oder Instagram mit unseren Freunden und dem Rest der Welt vernetzt zu sein. Aber diese Bequemlichkeit hat eben auch ihren Preis: Die persönlichen Daten, Fotos und Nachrichten von Milliarden Menschen liegen nun in den Händen eines einzigen, gewinnorientierten Unternehmens. Im vorliegenden Fall ist das ganz besonders bedenklich -- schließlich ist Facebook-Gründer Mark Zuckerberg bekannt für die Aussage, Privatsphäre sei heute “keine soziale Norm mehr”.
Wie Konzerne mit den Daten umgehen, die ihnen anvertraut werden, ist nicht immer transparent. Auch die Sicherheitsvorkehrungen, die zum Schutz von Nutzerdaten getroffen werden, haben sich in der Praxis immer wieder als unzureichend erwiesen. So gehen Experten heute davon aus, dass die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten erst durch durch die Datenanalysen der Firma Cambridge Analytica möglich wurde.
Das Unternehmen hatte sich über eine App unrechtmäßig Zugang zu den persönlichen Daten von bis zu 87 Millionen Facebook-Nutzern verschafft. Aus diesen Datensätzen ließen sich beispielsweise Rückschlüsse auf die politische Einstellung, die Intelligenz oder auch die grundsätzliche Lebenszufriedenheit der Nutzer ziehen. So entstanden detaillierte Persönlichkeitsprofile, die Berichten zufolge genutzt wurden, um die Botschaften der Trump-Kampagne für spezifische Zielgruppen verständlich und ansprechend zu verpacken.
Alles, was wir im Internet tun, posten oder suchen, lässt Rückschlüsse auf uns zu. Und die fallen nicht immer zu unseren Gunsten aus. Die Privacy-Analystin Sarah Downey bringt es auf den Punkt. Wir haben ihr Statement gegenüber dem Nachrichtensender CNN für euch übersetzt.
Zitat Sarah Downey: Über dich – über dein echtes Ich – werden wichtige Entscheidungen getroffen, basierend auf einem virtuellen Ich, das aus allen möglichen Daten besteht. Diese Entscheidungen betreffen deine Bonität, die Höhe deiner Versicherungsprämien, oder sogar, ob einen Job kriegst oder nicht. Das sind ernstzunehmende Entscheidungen. Sie haben echte Auswirkungen auf das Leben von Menschen – und manchmal sind sie falsch.
Mae Becker: Das klingt alles sehr bedrückend. Aber der Kampf gegen Big Data, Algorithmen und Automatisierung ist noch längst nicht entschieden. Ein gesundes, am Menschen orientiertes Internet ist möglich – jedenfalls, wenn wir die Entscheidungsfindung nicht nur Experten überlassen. Wir müssen uns selbst in die Debatte einklinken und auf das bestehen, was wir für richtig halten. Dazu gehört auch, Produkte und Dienste unter die Lupe zu nehmen, die wir tagtäglich nutzen – viele von ihnen füttern ein System, das nicht das beste für uns ist.
Mozilla stellt zu diesem Zweck zahlreiche Tools und Hilfsmittel zur Verfügung. Gleichzeitig ist Mozilla aber auch auf das Interesse und den Rückhalt der Nutzer angewiesen. Oberflächlich macht es für dich vielleicht keinen Unterschied, ob du mit dem Firefox Browser online gehst oder mit einem anderen Browser – schließlich haben die heutzutage alle mehr oder weniger dasselbe zu bieten. Aber es gibt einen Unterschied:
Der Firefox Browser wurde entwickelt, um dir die Kontrolle über deine Privatsphäre zu erhalten oder zurückzugeben. Du entscheidest, was du wann unter welchen Umständen mit wem teilst – oder eben nicht. Die Einstellungen dazu sind sind intuitiv und eindeutig. Was du entscheidest, gilt.
Wenn du also den Firefox Browser oder ein anderes Mozilla-Produkt nutzt, beziehst du damit eine Position. Durch deine Wahl zeigst du, dass du Wert legst auf ethisch solide Technik. Du stellst klar, dass deine Daten dir gehören, und dass du nicht bereit bist, die Kontrolle darüber ohne weiteres aus der Hand zu geben. Du setzt dich ein für einen Markt, in dem Produkte und Dienstleistungen nicht länger auf maximalen Gewinn ausgerichtet werden, sondern auf maximale moralische Vertretbarkeit.
Der perfekte Anfang für ein neues, gesünderes Online-Leben ist ein Daten-Detox. Und der ist gar nicht schwer. Unter datadetox.myshadow.org findest du alle Informationen, die du brauchst, um herauszufinden, was das Netz über dich weiß – und natürlich auch eine Anleitung für einen umfassenden digitalen Neustart. Unter blog.mozilla.org/berlin findest du heraus, wie unsere Online- und Offline-Leben verschmelzen, und erfährst alles über die neuesten Mozilla-Produkte.
Das klingt vielleicht erstmal aufwendig – ist es aber gar nicht. Es geht nicht darum, dem einen oder anderen Dienst den Rücken zu kehren. Es geht auch nicht darum, dass du die ganze Verantwortung trägst. Aber indem du Produkte und Dienste vorziehst, die deine Privatsphäre respektieren, setzt du ein Zeichen. Und: Mit etwas Glück setzt du auch die Großkonzerne in Zugzwang, ihre Prioritäten zu überdenken.
Es mag ein langer Weg sein – aber am Ende steht ein Internet, das so aussieht, wie es ursprünglich einmal gedacht war: Ein öffentliche Ressource, die uns alle gleichberechtigt verbindet; ein Ort, an dem wir so offen oder so privat sein können, wie wir es wollen; ein Erlebnis, das wir selbstbestimmt immer neu gestalten und an unsere Bedürfnisse anpassen können. Und mit Mozilla hast du einen starken Partner an deiner Seite, mit dem du schon heute durchstarten kannst.
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